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Bildungsurlaub
Bildungsurlaub ist in Deutschland nicht einheitlich geregelt: "Der 9. Saarländische Landtag hat
kurz vor den Neuwahlen am 28. Januar 1990 mit der SPD-Mehrheit und gegen die Stimmen
von CDU und F.D.P. ein Weiterbildungs- und Bildungsurlaubsgesetz beschlossen. Danach
haben alle saarländischen Arbeitnehmer ab April 1990 das Recht, pro Jahr fünf Tage Urlaub
für berufliche und politische Weiterbildung zu nehmen (vgl.gr Nr 2/89 S.39f). Bisher gibt es
Bildungsurlaub -zu unterschiedlichen Bedingungen- bereits in den Bundesländern Berlin,
Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.(vgl.gr Nr.2/88 S.37)" 59
Diese Bildungsurlaubsgesetze sind umstritten. Dr H.Schmidt60 äußert sich uneingeschränkt
positiv zum Bildungsurlaubsgesetz in Nordrhein-Westfalen: "Das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz gewährt einen Freistellungsanspruch für Weiterbildung, der produktiv für die Weiterbildungsmotivation, für die Wahrnehmung weiterer Bildungschancen genutzt werden kann und
sollte." Dr. Schmidt verwahrt sich gegen die Versuche (der Arbeitgeberseite) die Gewährung von
Bildungsurlaub, mit Verweis auf nicht Berufsrelevante Inhalte der Veranstaltung zu verwehren.
" Die traditionelle Trennung zwischen beruflicher und nichtberuflicher Weiterbildung in weiten
Bereichen ist mit sachlichen Argumenten nicht aufrechtzuerhalten; gerade die Einführung neuer
Technologien zeigt, daß es auch in der beruflichen Weiterbildung neben den fachlichen Qualifikationen immer stärker auf soziale und berufsübergreifende (Schlüssel-) Qualifikationen ankommt." 61 Da die Arbeitgeberseite, nicht zuletzt aufgrund der Tatsache, daß aufgrund dieses
Gesetzes Kosten entstanden, sich gegen die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub zur Wehr
setzte, wurde die Problematik ein Fall für die Juristen: "Umstritten waren fast ausschließlich
Veranstaltungen in gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen für bestimmte Zielgruppen, bei
denen neben der Allgemeinzugänglichkeit (...) bezweifelt wurde, daß sie der beruflichen und
/oder politischen Weiterbildung dienen..."62 Diese juristische Fußangel suchte die SPD-Regierung in Nordrhein-Westfalen in ihrem Gesetz zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke
der Weiterbildung vom 16.11.1984 zu beseitigen "Das dort erstmalig normierte Konzept der
Vorleistungspflicht des Arbeitgebers bei zeitweiligem Einwendungsausschluß 63 ist ein erfolgversprechender Versuch, Barrieren bei der Inanspruchnahme des Bildungsurlaubs durch die sog.
bildungsfernen-Schichten abzubauen"64 Wie dies Zitat zeigt, sind auch Juristen vor politischen
Wertungen nicht gefeit, der Autor fährt resigniert fort: "Dieses Konzept wird von der überwiegenden Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entwertet, indem sie entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Konzeption die Anerkanntheit der Arbeitnehmerweiterbildungsveranstaltung
zur Anspruchsvorraussetzung erklärt hat, die in vollem Umfang sowohl vom Arbeitgeber als
auch von den Arbeitsgerichten überprüft werden darf..."65 Beispiele für diese Rechtsprechungspraxis findet man z.B. in den BAG Entscheidungen 23.2.1989-8 AZR 185/86 , 8 AZR 185/87
und 8 AZR 185/88. In diesen Urteilen werden Klagen auf Lohnfortzahlung für den Zeitraum
von gewerkschaftlichen Seminaren in den drei Fällen, abgewiesen.
Die Seminare waren von den betroffenen Gewerkschaften durchgeführt worden, ohne daß die
Gewerkschaften als Weiterbildungseinrichtungen anerkannt gewesen wären ( Das DGB-Bildungswerk dagegen ist anerkannter Weiterbildungsträger!!)66, was die Arbeitgeberseite zum
Anlaß nahm, die Lohnfortzahlung zu verweigern. Da die Nutzung von Bildungsurlaub auch in
den Ländern, in welchen er rechtlich verankert ist, nur rudimentär erfolgt, (1987 nutzten nur
7,8% der Beschäftigten ihren Bildungsurlaub - bezogen auf die Ländern mit gesetzlich geregeltem Bildungsurlaubsanspruch.67) scheint sich der Widerstand der Arbeitgeber in erster Linie an
der möglichen Subventionierung von Gewerkschaftstätigkeit aus Betriebsmitteln zu entzünden.
"...Von den nicht berufsbezogenen Weiterbildungsveranstaltungen werden nach vorliegenden
Umfragen etwa 50-60% für gewerkschaftliche Funktionärsschulungen eingesetzt. Hierzu hat sich
jedoch eine einheitliche Beurteilungslinie der drei nordrhein-westfälischen Landesarbeitsgerichte
herausgebildet. Sie geht eindeutig dahin, daß das Bildungsurlaubsgesetz nicht Schulungen von
Gewerkschaftsmitgliedern und Gewerkschaftsfunktionären mit gewerkschaftlicher Zielrichtung
erfaßt. Denn zu den Grundsätzen des Koalitionsrechts-so die Landesarbeitsgerichte-gehört die
koalitionspolitische Eigenständigkeit durch Gegnerfreiheit und wirtschaftlicher Unabhängigkeit."68
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Matthias Steppuhn
2003-07-05