Wie im Abschnitt zur politischen Ziel-Definition schon anklang, ist die Frage nach den Inhalten
von Aus- und Fortbildung ein umstrittenes Thema. Dies ist zunächst etwas verwirrend.Auf der
einen Seite wird das Thema auf der Betriebsebene in der Regel mit recht harmonischen Äußerungen behandelt. Auf der anderen Seite scheint die stets betonte Entwicklungsbedingte
Notwendigkeit keinen Spielraum für unterschiedliche Auffassungen zu lassen. Ihren Niederschlag findet die kooperative Behandlung des Themas Bildung auf der Betriebsebene, in den
Betriebsvereinbarungen. Beispielhaft soll hier die Präambel der Betriebsvereinbarung zwischen
Betriebsrat und Betriebsführung der Phoenix Harburg angeführt werden. Sie ist in ähnlicher
Form in einer Vielzahl von Betriebsvereinbarungen wiederzufinden:"Die fortlaufende technologische und organisatorische Entwicklung führt zu sich ständig verändernden Arbeitsinhalten und
-abläufen und macht es demzufolge mehr denn je erforderlich, die Mitarbeiter rechtzeitig auf
die neuen Anforderungen einzustellen und vorzubereiten"101 Es wird ein Sachzwang formuliert,
welchem sich keine der Parteien entziehen kann. Auch aus der Interessenlage der betrieblichen
Interessengruppen lassen sich Divergenzen nur mühsam extrahieren. ( Mir ist durchaus bewußt,
daß diese Äußerung den Konservatismus Vorwurf an den Schreiber provoziert. Jedoch sind rein
analytisch, ohne historisierenden Rückgriff auf vermeintliche Klassengegensätze, lediglich
marginale Interessenkonflikte in Bezug auf Bildungsinhalte zu belegen. Interessenkonflikte sind
im wesentlichen in der Präferierung einer stärkeren Akzentuierung auch über den Arbeitsplatz
hinaus verwertbarer Bildungsinhalte seitens der Arbeitnehmer zu finden.)
Das Bild wandelt sich, wenn man sich die Ebene der Interessenvertretungen betrachtet. Hier
sehen die Akteure "Widersprüche, die keinen Zweifel daran lassen, daß die Interessenübereinstimmungen in Sachen Qualifizierung, eng begrenzt sind"102 Dieser, leider in Hinblick auf
Ausbildungsinhalte recht karge, Verweis auf Widersprüche, begründet die Forderung nach
Schaffung von Einflußmöglichkeiten der Gewerkschaften bei der Bildungsplanung. Angestrebt
wird die tarifvertragliche "Festschreibung eines Anspruchs auf berufliche Weiterbildung im
Umfang von 2 Wochen pro Jahr für alle Beschäftigten."103 Ziel der Weiterbildung soll die
Vermittlung sozialer, ökologischer und ökonomischer Kompetenz sein ( neben der Vermittlung
fachlicher Kompetenz).104 Solche Forderungen sucht die Arbeitgebervertretung abzuwehren:
"Betriebliche Weiterbildung muß sich aus Kosten-, Zeit- und Effizienzgründen am betrieblichen
Bedarf ausrichten...Mit der Ausrichtung am betrieblichen Bedarf nicht vereinbar ist ein genereller Weiterbildungsanspruch für alle Mitarbeiter...Auf Vorrat vermittelte Qualifikationen, die
mangels Bedarf nicht abgerufen werden können, werden vergessen und veralten"105
Anzumerken bleibt hierzu, daß einige Arbeitgeber durchaus auch nicht am betrieblichen Bedarf
ausgerichtete Fort- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter fördern oder gar fordern.106 Beispielhaft sei hier der Haustarifvertrag der Deutschen Shell zitiert: "Die Deutsche Shell Aktiengesellschaft bietet...zusätzliche Weiterbildungsmaßnahmen an, die - ohne für den derzeitigen
Arbeitseinsatz unmittelbar erforderlich zu sein - der Erweiterung der fachlichen und persönlichen Kompetenz der Mitarbeiter dienen"107 In einer Presseerklärung des Vorstandsmitglieds
Dr.Dieter Ahrens, werden die Motive der Shell erläutert. Neben dem traditionell hohen Stellenwert der Aus- und Fortbildung, sowie der technologisch-organisatorischen Entwicklung, dürfte
folgender Punkt entscheidend gewesen sein: "Der Mitarbeiter bringt einen Teil der ihm
zustehenden Arbeitszeitverkürzung, d.h. der sich aufgrund des Tarifvertrags neu ergebenden
Freizeit, ein."108 Das Zugeständnis in Bezug auf die betriebliche Relevanz der Bildungsinhalte,
wurde also gegen den Verzicht auf Weiterbildungsfreistellung zusätzlich zu der vereinbarten
Arbeitszeitverkürzung (37 Stunden Woche) getauscht.